Globetrotter Sambia
Schleichend durch die Savanne
Schwere Diesellokomotiven rumpeln in Schrittgeschwindigkeit über maroden Oberbau. Der Eisenbahnbetrieb in Sambia wirkt auf den ersten Blick nicht so, als ob er noch eine Zukunft hätte. Doch das Streckennetz soll modernisiert und um wichtige Strecken erweitert werden. Besonders der Güterverkehr könnte davon profitieren.
„Sambia“, der wohlklingende Name des südafrikanischen Staates ist weithin bekannt; weniger verbreitet ist dagegen die Kenntnis der Lage des Landes. Mit einer Fläche von 752.614 km² ist Sambia doppelt so groß wie Deutschland. Der Binnenstaat hat viele Nachbarn: Angola, die Demokratische Republik Kongo, Tansania, Malawi, Mosambik, Simbabwe, Botswana und Namibia. Das Land gilt noch immer als Geheimtipp für Reisende, die das ursprüngliche Afrika erleben möchten. Auch seine großen Nationalparks sind noch nicht so bekannt, wie beispielsweise das Okawangodelta in Botswana oder der Hwange-Nationalpark in Simbabwe. Doch nicht nur für naturbegeisterte Besucher hat Sambia einiges zu bieten – seine Hauptattraktion sind mit Sicherheit die berühmten Victoriafälle bei Livingstone, wo sich die Wassermassen des Sambesi auf einer Breite von 1.708 m über hundert Meter in die Tiefe stürzen – sondern auch Eisenbahnfreunde kommen in Sambia auf ihre Kosten.
Erste Eisenbahnstrecken
Im Jahr 1899 wurde die Aktiengesellschaft der Rhodesischen Eisenbahnen gegründet. Der aus England stammende Cecil Rhodes trieb den Eisenbahnbau im britischen Nordrhodesien voran. Aus Süden kommend, erreichten die Gleise um 1900 den Sambesi. Als Spurweite wählte man die im südlichen Afrika übliche Kapspur mit 1.067 mm. Die Brücke über den Fluss bei Victoria Falls, die noch heute in Betrieb ist, wurde 1905 fertiggestellt. Ein Jahr später erreichte die Bahn Broken Hill – das heutige Kabwe – und 1909 ist bei Sakania der Anschluss an das Eisenbahnnetz
von Belgisch-Kongo vollendet worden. Über die 1929 eröffnete Benguelabahn im heutigen Angola konnten nun Züge den Hafen von Benguela am Atlantik erreichen. Weitere kurze Strecken entstanden von Choma nach Masuku und im Copperbelt nach Chilabombwe, Mufulira und Luansshya. Mit der Zambezi Sawmills Railway, der späteren Mulobezi Railway, wurde von 1923 bis 1924 eine private Bahnstrecke zur Abfuhr von Teakholz aus Mulobezi und Kataba errichtet. Sie hatte mehrere Zweigstrecken, die heute jedoch alle stillgelegt sind.
1964 wurde Nordrhodesien unabhängig und nannte sich fortan Sambia, abgeleitet vom Fluss Sambesi – seine Eisenbahn erhielt den Namen Zambia Railways.
Mit der TAZARA, der Tanzania Zambia Railway Authority, entstand im Jahr 1976 eine weitere Eisenbahngesellschaft. Von ihr wird die 1.863 km lange Bahnstrecke von Daressalam in Tansania nach Kapiri Mposhi in Sambia betrieben. Die Neubaustrecke wurde unter chinesischer Leitung errichtet und ebenfalls in Kapspur ausgeführt. Die Gründe für den Bau dieser Bahn waren politisch motiviert. Unter Umgehung von Südafrika und Rhodesien (Südrhodesien, heute Simbabwe) wollte man einen neuen Eisenbahn-Anschluss zu einem Hafen am Indischen Ozean schaffen und damit die wirtschaftliche Abhängigkeit von den genannten Ländern vermindern. Die gerade für den Güterverkehr, speziell den Kupferexport, erhoffte Bedeutung konnte die TAZARA jedoch nie erlangen.
Um die abgewirtschaftete Zambia Railways wieder wettbewerbsfähig zu machen, erhielt im Jahr 2003 eine Investorengruppe die Konzession, die Bahn für 20 Jahre zu betreiben. Der neue Name lautete Railway Systems of Zambia (RSZ). Der Erfolg blieb jedoch aus, und 2012 wurde die Konzession widerrufen. Seitdem heißt die Bahn Zambia Railways Limited (ZRL).
Die Gesamtlänge der Bahnstrecken von Zambia Railways Limited und TAZARA beträgt 2.157 km. Aktuell rollt der Schienenverkehr in Sambia auf sehr niedrigem Niveau. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Der aktuelle Verkehr
Der ZRL fehlt es offensichtlich noch immer an finanziellen Mitteln, um ihre Strecken zu ertüchtigen und neue Lokomotiven und Wagen zu beschaffen. Dennoch konnte der Verkehrs und Kommunikationsminister im Jahr 2013 nach der Rekapitalisierung der ZRL eine Steigerung der Streckengeschwindigkeit von 15 km/h (!) auf über 40 km/h bekanntgeben. Höhere Geschwindigkeiten dürften derzeit nur mit größerem Aufwand möglich sein, denn die Schienen liegen fast überall auf einem Sandbett und sind nur dürftig eingeschottert. Ein solider Unter- und Oberbau mit einem gestopften Gleiskörper ist praktisch nirgendwo vorhanden – auch funktionierende Signale oder elektrische Weichenantriebe gehören der Vergangenheit an. Selbst im Hauptbahnhof Lusaka werden die Weichen heute von Hand gestellt. Dennoch gibt es große Bemühungen, den Betrieb mit bescheidenen Mitteln aufrecht zu erhalten, denn vor allem im Güterverkehr spielt die Bahn sowohl im Binnen- als auch im Transitverkehr eine wichtige Rolle. Neben Kupfer werden vor allem Kohle, Schwefel, Mineralöl, Zement, Dünger, Mais und Zucker transportiert. Zwischen Lusaka und Livingstone konnten im Mai 2017 täglich bis zu vier Güterzüge gesichtet werden, im Norden bei Kapiri Mposhi wurden ein bis zwei Güterzüge – zumindest akustisch – bei Nacht registriert.
Neben Güterwagen der ZRL kommen auch Wagen der TAZARA, aus dem Kongo, aus Simbabwe und aus Südafrika auf die Gleise der Zambia Railways Limited. Im November 2014 wurde ein Programm zur Fertigung von 40 neuen Seitenkippwagen zum Transport von Kupferkonzentraten und Kalkstein bekanntgegeben.
Die Fahrzeiten der wenigen Reisezüge der ZRL sind aufgrund der bereits erwähnten schlechten Gleislage, der beachtlichen Zuglänge sowie der hohen Auslastung von Verspätungen geprägt. Die betagten Reisezugwagen stammen aus Südafrika und wurden zuletzt in gefälligem Hellrot lackiert. Zwischen Kitwe, Lusaka und Livingstone verkehren wöchentlich nur zwei Reisezugpaare. Laut Fahrplan benötigen sowohl der „Kafue Ordinary Passenger“ als auch der „Zambezi Passenger“ für die 858 km lange Strecke 34 Stunden, also rund 1½ Tage. In der Realität werden diese Fahrzeiten allerdings selten eingehalten. So hatte der „1 Down Kafue“ (Kitwe – Livingstone) am 2. Mai 2017 in Kabwe rund 9 Stunden Verspätung, der „4 Up Zambezi“ (Livingstone – Kitwe) am Folgetag sogar 16 Stunden. Ebenfalls zweimal die Woche verkehrt ein sogenannter „Mixed Train“ (zu deutsch: PmG) zwischen Livingstone und Mulobezi, der aufgrund der fehlenden Straße für die an der Strecke wohnenden Menschen das einzige Transportmittel ist.
Seit November 2014 wird laut Eigenwerbung der ZRL zwischen Lusaka und Livingstone bei Bedarf der „Golden Jubilee Express“ als Charterzug eingesetzt.
Auf der 892 km langen, eingleisigen TAZARA-Strecke von New Kapiri Mposhi zum tansanischen Grenzbahnhof Nakonde und weiter in Richtung Daressalam verkehren laut Fahrplan pro Woche ebenfalls nur zwei Reisezugpaare: In Nord-Süd-Richtung fahren der K12 „Kilimanjaro Ordinary“ und der M2 „Mukuba Express“, in der Gegenrichtung der K1 „Kilimanjaro Express“ und der M11 „Mukuba Ordinary“. Die Fahrzeit des Expresszuges auf diesem Streckenabschnitt liegt mit rund 17 Stunden um zwei Stunden unter dem an allen Unterwegsbahnhöfen haltenden Personenzug. Diese Strecke besitzt einen recht ordentlichen Oberbau und verfügt sogar über funktionierende Signale, dennoch kommt es öfter zu Zugentgleisungen. Der im Mai 2017 beobachtete Reisezug im Bahnhof New Kapiri Mposhi war komplett aus neuen chinesischen Reisezugwagen gebildet. Erstaunlicherweise besaßen diese Wagen keine Klimaanlage, sondern nur Deckenventilatoren.
Leider konnte aus Zeitmangel die aktuelle Situation des Güterverkehrs auf der TAZARA vor Ort nicht näher erforscht werden. Die Angaben darüber in den Medien sind kontrovers. Während das Management der TAZARA im Jahr 2016 gewonnene Aufträge über Öltransporte in den Kongo veröffentlichte, sprechen andere Quellen über einen allgemeinen Rückgang der Transportmengen.
Der Triebfahrzeugpark
In der Regel werden die Reisezüge auf der Nord-Süd-Strecke der ZRL von General Electric-Lokomotiven des Typs U20C gezogen, der Mulobezi-Zug wurde im Mai 2017 mit der aus Südafrika stammenden Mietlok 35-028 (Typ U15C) bespannt.
Als Zuglokomotiven der Güterzüge kommen die langen EMD GT36CU-MP zum Einsatz. Seit November 2015 hat die ZRL zehn Lokomotiven rekonstruiert, nachdem zuvor mit SMHRail of Malaysia ein Vertrag unterzeichnet worden war. Sie sind – wie auch die Reisezugwagen der ZRL – hellrot lackiert. ZRL-Lokomotiven in der früheren Farbgebung Blau oder Silber wurden im Mai 2017 nicht mehr gesichtet.
Der Lokbestand der TAZARA wurde in den letzten Jahren aufgestockt. Von den bewährten GEU30C aus dem Hause Krupp/GE (DE 1001 bis 1031, Baujahre ab 1982) dürfte noch etwa die Hälfte einsatzfähig sein. Zu den Neuzugängen der TAZARA gehören sechs Rangierloks des Typs CK6 (DH1-2001 bis 2006, Leistung 977 kW) des chinesischen Herstellers CSR Chengdu Co sowie zehn Streckenloks des Typs SDD20 (DE 3001 bis 3010, Leistung 2.240 kW) der ebenfalls chinesischen CSR Qishuyan. Alle Lokomotiven der TAZARA sind in den „Hausfarben“ Weiß und Blau lackiert.
Pläne für die Zukunft
Im März 2017 erklärte das Verkehrsministerium, dass ZRL und TAZARA zu einem zuverlässigen und effizientenTransportnetz entwickelt werden sollen. Besonderes Augenmerk legt man dabei auf den Nord-Süd-Verkehr mit der TAZARA-Strecke von der Grenze zu Tansania bis New Kapiri Mposhi sowie der ZRL-Strecke aus dem Copperbelt von der kongolesischen Grenze über Ndola, Kapiri Mposhi und Lusaka nach Livingstone. Die China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC) wurde mit der Planung und dem Bau der Sambia East Line beauftragt. Die 388 km lange Strecke in Kapspur soll vom Bahnhof Serenje an der TAZARA abzweigen und über Petauke nach Chipata führen. Die kurze, grenzüberschreitende Strecke von Chipata zum malawischen Grenzort Mchinji ist bereits fertiggestellt. Hier besteht Anschluss an die malawische Bahnstrecke zur mosambikanischen Grenze und von dort weiter in die Hafenstädte Beira und Nacala. Der Bau der Sambia East Line würde einen 1.500 km langen Korridor von Kapiri Mposhi bis zum Indischen Ozean schaffen, der deutlich kürzer ist als die heutigen Schienenwege über Simbabwe oder Tansania. Ein weiteres Bahnprojekt ist der Bau einer Strecke von Chingola im Copperbelt nach Lumwana in der Nordwestprovinz Sambias. Die ebenfalls geplante Verlängerung dieser Strecke in Richtung Angola zur Benguelabahn würde den Anschluss an die
angolanischen Häfen Luanda oder Lobito herstellen. Es bleibt den Eisenbahnen Sambias zu wünschen, dass den großartigen Zukunftsplänen bald Taten folgen und die Geldgeber nicht nur ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. Nur so hat das Land die Möglichkeit, seine Wirtschaft weiter zu entwickeln, Warentransporte zu beschleunigen und den Reisenden die Fahrzeit mit der Eisenbahn ein wenig zu verkürzen.
Text und Aufnahmen:
Matthias Hille