Neulich im Lichtenmoor
Feldbahnbetrieb auf 750 mm
Im niedersächsischen Heemsen betreibt die Firma Euflor ein Humuswerk, das über eine kleine Feldbahnstrecke mit dem Abbaugebiet im Moor verbunden ist. Als Besonderheit besitzt das kleine Feldbahnsystem die ungewöhnliche Spurweite von 750 mm. Loren mit Holzaufbau und einige Oldtimer unter den sechs eingesetzten Loks machen die Bahn zu einem lohnenswerten Ziel.
Das Lichtenmoor ist ein ca. 50 km2 großes degeneriertes Hochmoor im Zentrum von Niedersachsen, etwa in der Mitte zwischen Hannover und Bremen gelegen. Seit 1938 wird hier Torf gefördert, Teile des Moores sind heute bereits wieder renaturiert und wiedervernässt. Andere Teile werden landwirtschaftlich genutzt. Noch gibt es allerdings auch den klassischen Torfabbau. Meist ist es sehr ruhig im Lichtenmoor, wohnen in der kleinen gleichnamigen Siedlung doch keine 100 Einwohner. Zweimal in der Geschichte stand das Lichtenmoor im Zentrum des Geschehens. In der Nachkriegszeit war es der „Würger vom Lichtenmoor“, der für Aufruhr sorgte, wurden doch in dieser Zeit immer wieder getötete Nutz- und Wildtiere gefunden. Ursache sollte ein Wolf sein, der schließlich 1948 geschossen wurde – ein Gedenkstein erinnert bis heute an ihn. Realistischer ist allerdings die These, dass die vielen getöteten Tiere schlicht Ergebnis einer Art Wilderei in Zeiten des Hungers waren, in der Fleisch Höchstpreise auf dem Schwarzmarkt erzielen konnte.
In den siebziger Jahren schließlich sollten hier ein Atommüllendlager und eine Wiederaufbereitungsanlage entstehen. Daraus wurde zum Glück nichts und so ist das Lichtenmoor ein beschaulicher Flecken Erde geblieben.
Aber zurück in die heutige Zeit. Torfabbau betreiben im Moor zwei Betriebe: zum einen die Torfwerke Meiners, zum anderen ein als Torfwerk Düvelshoop Hams & Busch gegründetes und heute zur EuFlor-Gruppe gehörendes Werk. Vielleicht gerade dadurch, dass vor Ort der Torf nicht mehr weiterverarbeitet, sondern nur gemahlen und dann direkt weiter in andere größere Werke transportiert wird, erscheint im Lichtenmoor heute alles wie aus der Zeit gefallen. Vor allem beim kleinen Torfwerk von EuFlor ist die Zeit scheinbar stehen geblieben. Hier sorgen drei Mitarbeiter für alles, was benötigt wird, um den Torf abzubauen, aufzuhalden und schließlich aus dem Moor hinaus zu befördern. Dazu dient eine wunderschöne Bahn, welche die für Torfbahnen ungewöhnlichen Spurweite von 750 mm besitzt. Das Betriebsprogramm ist von Jahreszeit zu Jahreszeit unterschiedlich, und der gesamte Torfgewinnungsprozess ist in mehrere, über den Jahresverlauf verteilte Phasen gegliedert.
In einer ersten Phase werden die Torballen gestochen und zum Trocknen im Moor gelagert. Dies geschieht meist ab dem Frühjahr bis in den Herbst. Nach der Trocknung werden die Ballen zu Mieten im Moor zusammengefahren, wo sie auf die weitere Verwendung warten. Die restlichen Prozesse geschehen dann auf Zuruf. Wenn von einem der weiterverarbeitenden Werke Nachschub angefordert wird, beginnt der für Feldbahnfreunde interessante Teil des Betriebsgeschehens – der Transport des Materials aus dem Moor hinaus. Dazu wird heute in der Regel die Schöma-„Neubaulok“ Nr. 6 (Typ CHL-20G, Baujahr 2004) aus dem Schuppen geholt.
Da der Oberbau der Strecke vor einigen Jahren mit altbrauchbarem Material aus dem Bergbau erneuert wurde, kann die Lok ihren Zwölf-Wagen-Zug mit einer respektablen Geschwindigkeit auf der 3 km langen Geraden – der „Rennstrecke“ des Netzes – ziehen: 15 km/h! Eine Zugverfolgung mit dem Fahrrad ist somit schon sportlich. Nach nur zehn Minuten Fahrt wird das Moor erreicht. Nun geht es mitten durch einen – im Rahmen der Wiedervernässungsbemühungen – neu entstanden „See“ hindurch, ehe im südlichen Teil des Moores nach weiteren zehn Minuten Fahrt das Abbaugebiet unweit der Ortschaft Sonnenborstel erreicht wird.
Hier gibt es Streckenverästelungen, teilweise wird auch mit „fliegendem Gleis“ gearbeitet. An einer Ausweiche muss die kleine Lok umlaufen, ehe in das Ladegleis – direkt an einer Miete – zurückgedrückt wird.
In ca. 30 Minuten ist der Zug beladen. Dies geschieht im Einmann-Verfahren, verfügt Lok 6 doch über eine Funkfernsteuerung. So kann auf einen zweiten Mitarbeiter oder auf eine zusätzliche Lok im Moor, wie sie sonst bei Torfbahnen zum Teil üblich ist, verzichtet werden.
Nach etwas über einer Stunde kehrt der beladene Zug wieder auf das Werkgelände zurück.
Mit Hilfe von Seilzügen werden die Loren dort punktgenau auf eine Seitenkippanlage gefahren und um ca. 45 ° gedreht. Der Torf fällt auf eine unterirdische Förderanlage, wird gemahlen und gelangt über weitere Förderbänder direkt in den bereitstehenden Lkw, der den Weitertransport sicherstellt.
Bis etwa Anfang der neunziger Jahre gab es auch Culemeyer-Straßenroller mit Regelspurgüterwagen vom etwa 10 km entfernten Bahnhof Rohrsen an der Strecke Hannover – Bremen direkt bis zum Werk. Ein Regelspurgleisstück kündet auch heute noch von dieser interessanten Ära.
Die Loren rollen schließlich über ein Gefälle in ein romantisch zugewachsenes Sammelgleis. Sind genügend viele leere Loren zusammen, schlägt die Stunde von Lok 5, die ebenso wie ihre moderne Schwester Nr. 6 aus der Lokomotivfabrik Christoph Schöttler (Schöma) in Diepholz stammt, wo bis heute auch Feldbahnlokomotiven produziert werden.
Lok 5 ist allerdings mit Baujahr 1947 fast 60 Jahre älter als ihre jüngere Schwester. Sie drückt die Wagen zurück in das Bereitstellgleis, wo schon Lok 6 auf diese wartet, um zu einer neuen „Tour de Moor“ aufzubrechen.
Einige Jahre gelten die aktuellen Abbaurechte noch, die Zukunft des Torfabbaus steht allerdings immer wieder grundsätzlich in Frage. Sicher wird das kleine Werk in Lichtenmoor nicht das letzte Torfwerk in Deutschland sein. Was die Zukunft bringt, weiß man nicht. Noch fahren sie allerdings, die Torfbahner vom Lichtenmoor.
Text und Aufnahmen: Thomas Kabisch