Fahr mal wieder Ferkeltaxi
Betriebsfähige LVT im Sommer 2017
Während die Einsätze der zahlreichen betriebsfähigen Vertreter der Uerdinger Schienenbusse fast deutschlandweit zu beobachten sind, machen sich deren ostdeutsche Pendants deutlich rarer. Dabei gibt es auch von ihnen über zehn Jahre nach Ende des Planeinsatzes der Triebwagen noch einige betriebsfähige Exponate.
Wie ihre in Westdeutschland in hoher Stückzahl in Dienst gestellten Schwesterfahrzeuge verschwanden die letzten „Schienenbusse“ aus DDR-Produktion nach jahrzehntelangem Einsatz schließlich recht still und leise aus dem Plandienst der DB AG. Schon mehrfach totgesagt, rumpelte der Stendaler 772 155 Mitte Januar 2004 ein letztes Mal über die verschlissenen Schienen zwischen Quedlinburg und Gernrode in der Vorharzlandschaft Sachsen-Anhalts, ehe er schadhaft abgestellt werden musste. Ab dem 13. Januar 2004 wurde dieser anspruchslose Dienst noch für wenige Tage der Baureihe 628 übertragen, bevor die Strecke in der bis dahin bestehenden Form am 31. Januar 2004 schließlich aufgegeben wurde und später als zur 1.000-mm-Schmalspurbahn umgespurten Streckenverlängerung der Harzer Schmalspurbahnen in das Blickfeld der Öffentlichkeit zurückkehren sollte.
Für genau solche unliebsamen, aber lange Zeit notwendigen Aufgaben – zur Bedienung auch der abgelegenstenOrtschaften wie z.B. in der Börde, in der Lausitz, im Spreewald oder zwischen den Seen Mecklenburg-Vorpommerns – beschaffte die Deutsche Reichsbahn ab 1962 drei Lieferserien dieser aufgrund ihrer roten Farbgebung gerne auch als „Blutblasen“ bezeichneten Triebwagen: VT 2.09.001 bis 070 (171 001 - 070), VT 2.09.101 bis 116 (172 001 - 016) sowie VT 2.09.201 bis 273 (172 101 - 173). Wohl keine Nebenbahn in der DDR – mit Ausnahme der bekannten Steilstrecken – dürfte im Laufe der Jahre nicht einmal von einem Leichtverbrennungstriebwagen (LVT) des VEB Waggonbau Bautzen befahren worden sein. Von den 159 in Dienst gestellten Triebwagen (zzgl. sechs später aus Beiwagen umgebauten Motorwagen) wurden nach Ausmusterung bei der DR bzw. DB AG (ab 1994) nur 35 Fahrzeuge direkt verschrottet.
Wo fahren die LVT noch?
Trotzdem ist die Anzahl der heute von Museums- und Touristikbahnen eingesetzten LVT mit 12 Exemplaren überschaubar. Dies liegt nicht zuletzt darin begründet, dass ein Großteil der Fahrzeuge ins Ausland weiterverkauft werden konnte. Wo also fahren Deutschlands letzte Ferkeltaxen indiesem Sommer?
DB Museum Nürnberg
Während der „Serienerstling“ 171 001 von der DR bereits 1976 zerlegt wurde, ist der frühere 172 001 (heute 772 001) der zweiten Lieferserie bis heute erhalten geblieben – und betriebsfähig! Das Fahrzeug zählt zusammen mit dem passenden Steuerwagen 972 601 zum Bestand des DB-Museums und ist als Dauerleihgabe für den Hafenbahn Neustrelitz e.V. im Einsatz, dessen Mitglieder die Garnitur liebevoll betreuen. Beide Fahrzeuge sollen bis zum 15. Juli 2017 ihre zweite Fristverlängerung erhalten und zumindest bis nächsten Sommer noch im Einsatz stehen. Folgende Fahrten sind 2017 mit den beiden Fahrzeugen noch verbindlich vorgesehen:
- 22./23.7. „90 Jahre Hafenbahn Neustrelitz“,
- 8.12. Nikolausfahrten Hafenbahn.
www.esv-lok-neustrelitz.de/hbn-e-v
Usedomer Eisenbahn GbR
Die Usedomer Eisenbahn GbR (UEG) hält noch den mintgrünen 772 173 betriebsfähig vor und setzt ihn zu besonderen Anlässen ein. Bei diesem LVT handelt es sich um das letztgebaute Serienfahrzeug, während die nachfolgenden Triebwagen durch Umbauten hervorgingen. Für 2017 hat die UEG derzeit keine festen Fahrttermin vorgesehen.
Erfurter Bahnservice
Die vor allem im Güterverkehr aktive Erfurter Bahnservice GmbH verfügt mit 772 345 über eine betriebsfähige „Ferkeltaxe“, die unregelmäßig im Rahmen von Eisenbahnfesten und Sonderveranstaltungen angetroffen werden kann. Aktuelle Einsatztermine sind nicht bekannt.
Oberweißbacher Bergbahn
Die DB-Konzerntochter DB Regio-Netz Verkehrs GmbH Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn (OBS) betreibt die beiden 2005 übernommenenund 2006 im Werk Neustrelitz instandgesetzten Motorwagen 772 140 und 141.
Die LVT dienen der OBS als Reserve für die planmäßig im Stundentakt zwischen Rottenbach und Katzhütte auf der 25 km langen Schwarzatalbahn verkehrenden 641 019 und 020. Bei Reparaturen oder Wartungsarbeiten an den beiden Neubautriebwagen springen die beiden 772 zumeist kurzfristig als Ersatz ein und kommen somitals letzte „Ferkeltaxen“ sporadisch im planmäßigen Personennahverkehr zum Einsatz. Die OBS nutzt die in Rottenbach hinterstellten 772 aber auch im Sonderzugdienst:
- 31.10. Kindersonderfahrt Jena – Obstfelderschmiede (– Katzhütte),
- 16.12. Kindersonderfahrt Jena – Obstfelderschmiede (– Katzhütte),
- 17.12. Weihnachtssonderf. Jena – Obstfelderschmiede (– Katzhütte).
www.oberweissbacher-bergbahn.com
Traditionsgem. Ferkeltaxi
Der Name ist Programm: Die Traditionsgemeinschaft Ferkeltaxi e.V. aus Chemnitz führt mit den betriebsfähigen Fahrzeugen 772 132, 772 171 sowie 972 760 regelmäßig Sonderfahrten durch, darüber hinaus sind noch die derzeit nicht einsatzfähigen 772 111 und 972 711 vorhanden. Der zuletzt ebenfalls betriebsbereite 772 003 war bereits vor sieben Jahren an den Nebenbahn Staßfurt-Egeln e.V. verkauft worden. Er ist nach einem erneuten Eigentümerwechsel heute nicht mehreinsatzfähig.
Während sich 772 132 und 772 171 im Eigentum von Köstner-Schienenbusreisen (Chemnitz) befinden, gehören 972 760 sowie 772 111 und 972 711 der Traditionsgemeinschaft Ferkeltaxi e.V., und 972 111 steht aktuell dem Vogtländischen Eisenbahnverein Adorf e.V. als Leihgabe zur Verfügung.
Nach Ablauf der Fristen sind772 171 ab August 2017, 972 760 ab Oktober 2017 sowie 772 132 ab Mai 2018 für eine erneute Hauptuntersuchung eingeplant. Folgende Fahrten sind 2017 noch vorgesehen:
- 12./13.8. Pendelfahrten Cranzahl – Vejprty (772 132, 972 760),
- 20.8. Sonderfahrt Chemnitz Hbf – Olbernhau u.z., zwei Pendelfahrten Olbernhau – Neuhausen (Erzgeb.) mit 772 132, 972 760,
- 3.12. Licht’l-fahrt Chemnitz – Schwarzenberg (Erzgeb.),
- 10.12. Licht’l-fahrt Chemnitz – Neuhausen (Erzgeb.)/Marienberg (Sachs), beide Fahrten mit 772 132, 772 171, 972 760,
- 17.12. Private Charterfahrt Hartmannsdorf – Annaberg-Buchholz
Eisenbahnnostalgie Vogtl.
Die Eisenbahnnostalgie Vogtland (Irfersgrün/Adorf) setzt ihre Fahrzeuge 772 155, 772 312 und 972 771 im Ausflugs- und Sonderzugverkehr ein. Darüber hinaus werden 772 367 und 972 741 derzeit betriebsfähig aufgearbeitet, nach Abschluss der Arbeiten wird die Fertigstellung von 771 056 in Angriff genommen, womit vier Motorwagen zur Verfügung stünden.
Das Hauptaugenmerk der Einsätze liegt dabei auf der 26 km langen Nebenbahn Schwarzenberg (Erzgeb.) – Annaberg-Buchholz, die auch über den bekannten Markesbacher Viadukt führt. Hier werden am 19./20. August sowie 9./10. September jeweils vier Zugpaare mit LVT angeboten. Zusätzlich sind im Herbst Fahrten zwischen Adorf und Zwotenthal geplant, die Termine stehen aber noch nicht fest.
Lausitzer Dampflokclub
Als einziger LVT war es dem Leipziger 772 342 zu DB-Zeiten vergönnt, noch das verkehrsrote Farbschema zu tragen. Im Dezember 2001 war er in der Werkstatt Leipzig Süd umlackiert worden. Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst bei DB Regio stand er mehrere Jahre als Ausstellungsobjekt auf Gleis 24 im Leipziger Hauptbahnhof, bevor er 2008 verkauft wurde. Gemeinsam mit dem inzwischen ebenfalls verkehrsrot lackierten 772 332 befindet er sich heute im Eigentum der Torsten Ratke Officeconsult, Finsterwalde, und wird vom Lausitzer Dampflok Club e.V. (LDC), wo beide Fahrzeuge auch eingestellt sind, betrieben. Neben zahlreichen Charter- und Sonderfahrten betreibt der LDC mit den Ferkeltaxen seit vier Jahren in den Sommermonaten die sogenannte „F 60-Bahn“, die anlässlich der Landesausstellung Brandenburg/Sachsen „Wo Preußen Sachsen küsst“ auf einem Teilstück der früheren „Zschipkau-Finsterwalder Eisenbahn“ ins Leben gerufen wurde und die sonntags die Förderbrücke „F 60“ bei Lichterfeld mit Finsterwalde verbindet. Nach der Wiederinbetriebnahme der Dresdener Bahn soll künftig auch wieder Doberlug-Kirchhain an die F 60-Verkehre angebunden werden. Zusätzlich wird mit LVT gefahren:
- 4.11. Eisenbahnen um Cottbus: Anschlussbahnen im Industriegebiet Cottbus-Ost, Heizkraftwerk, DB-Werkstätten.
OSEF Löbau
Die mintgrün-lichtgraue Garnitur 772 413 und 972502 befindet sich im Eigentum der Ostsächsischen Eisenbahnfreunde e.V. (OSEF) in Löbau. Das Gespann ist häufig mit Charterfahrten im Einsatz, aber auch öffentliche Fahrttermine stehen 2017 noch auf dem Programm:
- 15.8. Löbau – Görlitz – Peitz Ost – Tagebau Jänschwalde u.z.,
- 12.9. Löbau – Ebersbach (Sachs.) – Česká Lípa – Mladá Boleslav (Škoda- Werksmuseum) u.z.
Norman Kampmann
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